Ausstellungsdauer: 22. Jänner bis 15. Februar 2015,
Öffnungszeiten: Dienstag- Freitag, 14.00 – 18.00 Uhr und gegen Anfrage
Die Ausstellung Floating Village I-V gibt Einblicke in Gebautes und Geplantes, Atmosphären und Diskurse, die entlang von künstlerischen Auseinandersetzungen mit Wasserflächen und öffentlichem Raum von 2009 bis 2014 entstanden sind.
Fünf Jahre „Floating Village“ wurden im
Jänner im Kunstraum Goethestraße xtd präsentiert. Tanja Brandmayr über
das doppelsinnige Treiben des Wasseraktivisten-Verbunds rund um Leo
Schatzl.
Für den Gastgeber KunstRaum
Goethestraße xtd war die Präsentation von „Floating Village“ der Beginn
einer längerfristigen Auseinandersetzung, die sich mit Praxen und
Projekten über künstlerische Arbeiten im erweiterten öffentlichen Raum
beschäftigt. Der erweiterte öffentliche Raum bedeutet hier konkret eine
Auseinandersetzung mit Wasserflächen – so heißt es im Kurztext zum
präsentierten Projekt: „Das 2010 initiierte Programm Floating Village
benennt eine Serie von künstlerischen Auseinandersetzungen mit
Wasserflächen und öffentlichem Raum und versteht sich als Metapher für
ergebnisoffene, kollektive Prozesse und flexible, autonome Sphären“. Auf
zwei Ebenen, im Hauptraum, Untergeschoß und im angrenzenden Schauraum
wurden verschiedene Schwerpunkte gelegt, Prozessphasen gezeigt, die sich
allesamt in einer Zwischenposition von Kunst, Dokumentation, materiell
vorhandener Restartefakte und eigener künstlerischer Position des
Ausgestellten als Metapher für sich in Entwicklung Befindliches bekennt.
Die Gruppe setzte sich aus Leo Schatzl samt Studenten und Studentinnen
der experimentellen Gestaltung in Linz zusammen, sowie aus verschiedenen
assoziierten freien Linzer Gruppen und Akteuren, die sich seit vielen
Jahren mit Donauraum und/oder Wasser beschäftigen – als da wären:
Menschen rund um Times up, Schwemmland, Donautics und Stadtwerkstatt. In
den Projektphasen gab es außerdem künstlerische Interaktion und
Kooperation mit der Digitalen Kunst der Angewandten in Wien.
Den
Höhepunkt zuletzt bildete 2014 „Floating Village #5 – FLOAV“ in der
Traunmündung in Linz: Dort wurde letzten Sommer auf dem Wasser ein
schwimmendes Gebilde gebaut, das sich aus einem Verbund aus Booten,
selbstgebauten Flößen, sowie unterschiedlichen Schwimmkörpern
zusammensetzte. Die Floating Village-Gruppe wollte, so Leo Schatzl,
„kein großes, bewilligungspflichtiges Boot, sondern verfolgte einen
Ansatz einer möglichst großen Anzahl von kleinen Einheiten, die sich
temporär zusammenschlossen“. Zum autonomen schwimmenden Dorf gehörte
eine Ausgangsplattform, verfremdete, bzw. umgewidmete Objekte, im Sinne
der Diversität verschiedene Variationen von Kajakbooten, Flöße aus
Bambus, Ein-Mann-Schwimmbojen und anderes Schwimmzeug, bzw. auch ein
separater Zugang über eine Zugfähre auf das sich ständig verändernde,
flexible Gebilde. In dieser vorläufig letzten Projektphase wurde
außerdem über drei Wochen auf dem „archetypischen Modell“ dieses
schwimmenden Dorfes gelebt und gearbeitet. Floating Village wurde
sozusagen im Konstruieren auf Tauglichkeit überprüft und kann demnach
mit dieser Aufladung durch verschiedene Einzelexpertisen, und ebenso
durch Praxis und Zusammenleben als „soziale, schwimmende Skulptur“
bezeichnet werden: Sowohl eine solche Aufladung durch kollektive
Erfahrung, als auch ein entspanntes Verhältnis zur Einzelautorenschaft
stehen vielleicht am stärksten im Gegensatz zu einem herkömmlichen
„Skulpturen“- oder „Bespielungs“verständnis durch Kunst, das man von
vorneherein vermeiden wollte.
Das
Treiben von Floating Village zu beschreiben, ist einfach und schwer
zugleich. Zum einen ist es einfach, weil das Projekt in seiner
schwimmenden Präsenz eingängig und unmittelbar greifbar ist. Sämtliche
bewohnbare Schwimmkörper, Hausboote, Frachtschiffe, Abenteurerschiffe,
auf denen je gelebt, geliebt, oder auch nur gearbeitet wurde, lassen
grüßen. Wasser als neuer Lebensraum, das fluide Environment ohne festen
Boden, ein Raum ohne statische Basis: Diese Benennungen eröffnen
allerdings andere Fragestellungen nach einem Raum, der andere
Bedingungen vorgibt. Die ausgestellten Assoziationen sind daher
zahlreich und greifen in viele Richtungen aus. So gingen, bevor das
eigentliche schwimmende Dorf in der Traunmündung entstand, andere
Projektphasen voran. Zu Beginn war es wichtig, so Leo Schatzl, „einen
spielerisch-kreativen Ansatz zu finden, mit Wasserflächen umzugehen“.
Auszugsweise sollen einige wenige Beispiele angeführt sein, etwa Joseph
Reitsbergers „Schlauchschlauch“, der wie eine eigenartige Überführung
eines Reifenschlauches in seine nächste dreidimensionale Aufschichtung
wirkt: Auch die Reifenröhre schwimmt, und man könnte sich sogar darin
bewegen. Ein anderes, elaboriertes Fortbewegungsmittel ist Christine
Pavlics Fahrrad, das auf einen surfboardähnlichen Schwimmkörper montiert
wurde, auf dem man sich relativ unbehelligt vom nassen Untergrund
fortbewegen kann. Einen schönen Balanceakt zelebrierte während
Prozessphase 3 „Lets Sink“ Alex de las Heras, dessen
zusammengeschustertes Gebilde aus Holz und Holzästen seinen Akteur im
Suchen nach dem ausbalancierten Schwerpunkt nur scheitern lassen konnte:
Vielleicht ein Sisyphos auf dem Wasser.
Insgesamt
steckten die verschiedenen Phasen von Floating Village ein größeres
Claim ab, zum einen örtlich, weil Floating Village in den verschiedenen
Prozessphasen auch an den Ennskai, nach Lunz am See oder an den
Donaukanal eingeladen wurde. Zum anderen markierte das Projekt vor
allem an der Donau immer auch die politische Auseinandersetzung, zum
Beispiel mit dem Linzer Hafen. Hierzu gab es 2011 ein Manifest aller
beteiligten Player in der Zeitung Versorgerin. Beziehungsweise steht das
allererste Bild der Ausstellung, ein geisterhaftes Foto der halb
versunkenen, legendären schwimmenden Werkstatt auch für den zeitgleichen
Beginn der vielseits kritisierten Baumaßnahmen im Linzer Handelshafen.
Um allerdings nicht auf den politischen Ansatz zu reduzieren, sei auf
die allgemeine Vieldeutigkeit des Projekts verwiesen, das sich in der
Gesamtschau als Zusammen- und Auseinanderstreben, als doppelsinniges
Treiben abbildet: Die Auseinandersetzung mit Wasserflächen bringt andere
Parameter des Denkens und Produzierens auf die liquiden Oberflächen,
die zweifelsohne andere künstlerische Aufmerksamkeiten erfordern.
Restmaterialien und Naturgebilde scheinen zueinander- und
auseinandertreibende Gedankengebilde nachzubilden, die sich zwischen
Metaphern, Kommentaren zur Welt, Paradoxa und neuem Sehnen nach anderen
Räumen und anderer Kunst ansiedeln.
Bezeichnend
für dieses doppelsinnige Treiben scheint auch ein anderer Aspekt, der
so etwas wie Zeitsprünge markiert, oder ein aus-der-Zeit-gefallen-sein.
Etwa bei Katharina Gruzei: In Lunz am See leuchtete nächtens eine
Unterwasser-Lichtinstallation in den Himmel, die lediglich von zufällig
vorbeikommenden Menschen beobachtet werden konnte. In einer anderen
Arbeit steht ein weißes Einhorn am Wasser, dessen Blick man aus der
Ferne erhascht. Weniger mystisch, weniger aus der Zeit gefallen, sondern
im Gegenteil paradox in Vergangenheit und Zukunft angesiedelt ist eine
Installation von Eginhartz Kanter: In der Arbeit „o.T.“ wurde in einem
runden Wasserbecken Treibgut und Müll zum Zirkulieren gebracht.
Kaleidoskopartig und endlos dreht sich alles um sich. Assoziationen zum
real zirkulierenden Plastikmüll im Pazifik, aber auch zur relativ neuen
wissenschaftlichen Disziplin der Garbologie drängen sich auf: Dieser
Spezialzweig der Archäologie beschäftigt sich damit, aus dem
vorgefundenen Abfall einer Population Rückschlüsse auf deren
Lebensumstände zu ziehen. Und auf meditativ drohende Weise zeigt diese
Arbeit, die zentral im Raum, inmitten einer instabil wirkenden
Holzplattform projiziert wurde, in Vergangenheit und Zukunft. Mit einem
Augenzwinkern scheint der Außenschauraum Objekte zu versammeln, die laut
Leo Schatzl nicht wiederverwertet wurden, das heißt nicht in den
wiederverwendenden Zyklus des Projekts zurückgeflossen sind. Leo Schatzl
spricht hier vom „dynamischen Aspekt der Reste“, der sich für mich in
folgender Weise dynamisiert: Beim Anblick einiger aufgestellten Ruder,
aber auch von Objekten wie einem goldenen Kleid (aus dem Projekt „I sink
therefore I am“, Sun Li Lian Obwegeser und Antonia Prochaska) oder Leo
Schatzls Kajakobjekt selbst, den „wader“, der wie ein Einbaum mit Beinen
wirkt, entsteht für mich der Eindruck einer skurrilen prähistorischen
Wunderkammer der Zukunft. Ungeniert mit nostalgischen Impressionen
spielt überhaupt das Projekt „Reuse“ im Untergeschoß des Kunstraumes:
Als Stadtwerkstatt-assoziiertes Projekt, das den Impuls vom
Sommer-Floating Village in der Traunmündung aufgenommen hat, war die
Reuse im Dezember vergangenen Jahres an der Stadtwerkstatt-Donaulände,
sagen wir so: eine Seemannsspelunke der besonderen Art. Sie wurde im
Kunstraum weitergebaut und erfüllte auch dort, im Nebengeschäft, den
Zweck eines temporären Ausschanks. Auch bei der Reuse (oder auch anders
benannt: „Re.use“) ging es um die Verwertung und Umwidmung von
(Rest)Material. Diverse Arrangements erweckten an der einen oder anderen
Stelle den Eindruck von Seemannsgarn und Fabulieren: Der restverwertete
Nostalgieanklang als Variante eines Restbedürfnisses nach etwas anderem
als nüchterner Wiederverwertung.
Dieser,
von den AusstellungsmacherInnen nicht ausdrücklich thematisierter
Aspekt des Zeitsprungs, der sich jedoch in einem Dazwischen erfühlen
lässt, bewegt sich zirkulierend zwischen einem antizipiertem Dystopia
und einer Alternative, die doch irgendwie auch hoffnungsfroh auf etwas
verweist. Beides spielt eine autonome Kunst frei, die außerdem eine
Brücke in die Gegenwart aufzubauen scheint. Nicht zuletzt gibt der
Ausstellungstext selbst Hinweise über ein ambivalentes Angesiedeltsein
im Dazwischen von gestern und morgen, in einem merkwürdigen Heute.
Demnach sei Floating Village „weder Künstlerzoo noch Event-Attraktion,
es bildet vielmehr ein flüchtiges Reservat für künstlerische
Unternehmungen angesichts des zunehmenden Verschwindens von Freiräumen.“
In diesen aufgeschlagenen flüchtig-autonomen Schutzzonen des Bedrohten,
in diesen temporär gesicherten Freiräumen begegneten sich über flexibel
konstruierte Stege, Inseln und offene Schwimmkörperkonstruktionen
funktionale Eigenwilligkeit und elaborierte Nutzlosigkeit, Disparatheit
und Magie, intendierte Eindeutigkeit und Uneindeutigkeit, künstlerischer
Entwurf und andere Praxis. Alles in allem ergibt das eine flexibel
ausbalancierte Optik eines Projektes on its own, das, nicht zuletzt,
interdisziplinär ineinanderfließende Fragen nach gegenwärtigen und
zukünftigen Dingen von Belang stellt.
Mehr Infos und die vollständige Auflistung der Projektbeteiligten auf Kunstraum Goethestrasse